Ein paar Nebelschwaden behindern gelegentlich die Sicht,
das Außenthermometer zeigt knapp ......Grad an.
Es handelt sich nicht um spektakuläre Reportagen, wir sind weder in Bergnot geraten, noch wurden wir beim Tauchen angegriffen. Trinkwasserprobleme in der Wüste hat es nicht gegeben, ebensowenig Abenteuer auf hoher, rauher See oder gefährliche Hundeschlittenrennen im unendlichen Schnee. Uns sind keine Pferde durchgebrannt und wir wurden auch nicht von wilden Tieren angegriffen.
Es handelt sich nicht um spektakuläre Reportagen, wir sind weder in Bergnot geraten, noch wurden wir beim Tauchen angegriffen. Trinkwasserprobleme in der Wüste hat es nicht gegeben, ebensowenig Abenteuer auf hoher, rauher See oder gefährliche Hundeschlittenrennen im unendlichen Schnee. Uns sind keine Pferde durchgebrannt und wir wurden auch nicht von wilden Tieren angegriffen.
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EINE REISE
INS UNBEKANNTE
Von
Hannes Uhlenhaut
Bericht
über eine Busrundfahrt vom 24.03.2013
Ich weiß
nicht wie es euch geht, wenn ihr an Stadtrundfahrten denkt. Ob ihr
euch sagt: „Ist doch alles Mist und die letzte Touri-Falle!“ oder
ob ihr heimlich schon damit geliebäugelt hab euch auf so eine Fahrt
einzulassen.
Mich hat
so was bis vor kurzem nicht wirklich interessiert, irgendwie hatte
ich nicht den Nerv dafür und das war es dann auch. Dass sich das
geändert hat und aus einen Desinteresse mittlerweile eine
regelrechte Neugierde geworden ist, hätte ich nicht erwartet –
vielleicht liegt das am Alter. Jedoch gefällt mir der Gedanke durch
eine mir bekannte oder unbekannte Stadt zu fahren und diese durch den
Filter eines Touristen zu erleben. Es ist eine Reise ins Unbekannte,
wobei das Unbekannte hier die Wirklichkeit des Touristen ist, die ich
bisher selten geteilt habe.
Ich
weiß nicht mehr genau wann ich die Email vom Raum365 erhalten habe,
in der zu einer Rundfahrt eingeladen wurde, deren Ablauf recht
kryptisch definiert und eigentlich unklar war. Das Einzige, was fest
stand war, das es eine Fahrt mit dem Bus werden sollte und wie sich
heraus stellen war es kein normaler Bus, sondern ein Doppelstock Bus,
wie man sie aus London kennt.
Treffpunkt
war der oben genannte Projektraum Raum365 in Leipzig Leutzsch. Es war
Sonntag, der 24. März um 15 Uhr, strahlender Sonnenschein und
gefühlte 10 Grad unter Null. Als ich ein traf waren wohl schon an
die 30 Leute vor Ort, rauchten Zigaretten und unterhielten sich
frierend über die bevor stehende Aktion. Es war allen klar, dass es
sich nicht um eine normale Rundfahrt handelt und somit grassierten
die wildesten Spekulationen darüber, was wohl in den veranschlagten
5 Stunden alles passieren würde. Genaues wusste keiner und die
geschäftigen Veranstalter, um Susanne Hopmann, hielten sich trotz
Fragen über den Ablauf bedeckt. Ich selber dachte, dass es eine
Fahrt durch Leipzig gibt, was für mich spannend ist, da ich da
gerade hinziehe. Auf der geschalteten Blogseite hatte ich außerdem
noch etwas von Mikroklima gelesen und musste gleich an eine wie auch
immer geartets Metrologie – Happennig mit Fragebögen denken.
Ehrlich gesagt, fand ich das alles so verdreht, dass es klar war
daran teilzunehmen.
Als
der Bus eintraf war er noch nicht gleicht startklar. Vor der Abfahrt
musste er noch präpariert werden, es wurde also noch ein Haufen
Material an Bord geschleppt und zum Schluss sämtliche
Fensterscheiben mit Klarsichtfolie abgeklebt. Das alles passierte vor
versammelter Mannschaft, die sich während dessen am Ticketschalter
ihre Karte abgeholt und mit einem dazugehörigen Proviantpaket
versorgt wurden. Yeah, Brötchen, Apfel und Wasser. In meiner
Vorstellung wandelte sich das Bild von einer Busrundfahrt in das
einer Kaffeefahrt, etwas von Klassenfahrt lag in der Luft. Endlich im
Bus, saßen sich die Teilnehmer dann in vierer Gruppen an kleinen
Tischen gegenüber. Obwohl ich mit einer Bekannten gekommen war,
konnte wir nicht zusammen sitzen und somit nahm ich an einem Tisch
mit drei anderen Teilnehmern platz. In diesem Moment ergab sich für
mich ein neuer Zugang zu der angekündigten Mikroklimathematik.
Es
ging los. Der Bus fuhr durch Leipzig, es war auch nicht genau zu
sagen wo er eigentlich lang fuhr, da man durch die modifizierten
Scheiben so gut wie nichts erkennen konnte. Vorbei an
Reihenhaussiedlungen und Gewerbegebieten, die man erahnen konnte,
ging es auf in die Peripherie von Leipzig.
Alles
war verschwommen - in etwa so, wie wenn ich nach dem Aufstehen meine
Brille suche, weil ich mal wieder vergessen hab wo ich sie am Abend
hingelegt habe. Ich war irritiert und ohne jegliche räumliche
Orientierung in der Umgebung, war ich auf die Leute im Bus zurück
geworfen. Das war beabsichtigt.
An
meinem Tisch, mir gegenüber saßen Sarah und Stefan. Sie studiert
Grafik und Buch in Leipzig und er hielt sich über seinen Job etwas
bedeckt, aber es hatte wohl etwas mit Marketing und Wirtschaft zu
tun, so genau habe ich das nicht herausgefunden. Neben mir saß
Luisa, eine Freundin meiner Bekannten. Luisa und Jule hatte ich am
Abend zuvor zu dieser Fahrt überredet und sie waren sofort
begeistert. Luisa ist übrigens Lehrerin in Kaiserslautern und war
gerade zu Besuch.
Wie es bei
solchen zu fällig zusammen gewürfelten Runden manchmal der Fall ist
kam ein erstes Gespräch nicht ohne weiteres Zustanden, was sich aber
über die gesamte Fahrt dann doch ändern sollte. Es wurde noch
richtig lustig, Klassenfahrt Style eben.
Dann
ereignete sich der erste Vorfall und es war nicht ein der
angekündigten Stationen, an denen etwas passieren sollte. Es war
eher banal und hatte mit einer Brücke zu tun, die nämlich zu
niedrig für den Bus war und so unsere Fahrt stoppte. Das passierte
nach einer guten halben Stunde ungefähr. Bis dahin und auch danach
wurde von Seiten der Veranstalter immer noch nichts über den
weiteren Ablauf erzählt. Dafür händigte man uns Unmengen an
Fotokameras aus, die nach der Fahrt wieder eingesammelt werden würden
– soviel wurde dann doch verraten. Außerdem entdeckte ich noch bei
verschieden Leuten Aufnahmegeräte, was nicht schwer war, da Sarah
auch eines hatte. Sie erzählte mir, dass eine ihrer Mitbewohnerinnen
zu den Veranstaltungshelfern gehört. Es wurde also die ganze Zeit
alles mit geschnitten und dokumentiert – der Zweck blieb offen.
Nachdem
wir gewendet hatten ging es ein Stück über die Autobahn und
plötzlich befanden wir uns in einer Gegend die ich endlich kannte,
aber das war definitiv nicht mehr Leipzig. Wir waren auf der B6,
einer Bundesstraße, die ich gelegentlich benutze, wenn ich nach
Leipzig fahre. Erkannt hatte ich die Gegend an einem Möbelhaus, das
in den 90 Jahren gebaut und mittlerweile verlassen war. Ich glaubte
es nicht, ich hatte doch erwartet etwas von Leipzig zu sehen und
jetzt so was. Somit bekam der Titel Reise ins Unbekannte eine ganz
neue Wendung und ich musste lachen, da sich unter den Teilnehmern ein
nicht geringer Prozentsatz von Hallensern befand, die bestimmt
genauso verwundert waren wie ich.
Die
erste Station. In Großkugel gibt es eine alte Tankstelle, die
mittlerweile ein Imbiss ist und vor dem sich ein altes VOPO -
Polizeiauto befindet – natürlich sonntags geschlossen. Dort war
eine kleine Punktanzkapelle aufgebaut, die für unsere Reisegruppe
aufspielte. Als ich sah wer da spielte musste ich nochmals staunen,
es waren Marten, Fridjof und Markus und sie sahen ziemlich erfroren
aus. Nach einem viertelstündigen Konzert und einem
Konfetti-Gruppenfoto ging die Fahrt weiter nach Halle, zur nächsten
Brücke an der unser Bus scheiterte. Der Verdacht, dass diesen
Vorfällen ein Konzept zu Grunde liegt kam mir in den Sinn, was mich
aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewundert hätte. Als
Ausweichmöglichkeit wählte man eine Route über die
Merseburgerstraße, den Bahnhof, das Reileck bis nach Trotha und dort
in den Hafen. Ja, Halle hat einen Hafen, dort werden aber keine
Schiffe abgefertigt sondern Container von LKWs auf Züge umgeladen.
Die
zweite Station. Im Hafen wurden wir informiert, dass es nun eine
Pause von 15 Minuten geben würde. Das war’s. Nicht ganz, denn vor
Ort gab es ein Filmteam, das die etwas ratlosen und überraschten
Teilnehmer filmte und uns ab da auf Schritt und Tritt begleiten
sollte. So ein Hafen ist ja auch spannend und die Stimmung der
Teilnehmer war jetzt total auf Klassenfahrt eingestellt, jedenfalls
war das der Eindruck meiner Bekannten. Es hatten sich außerdem auch
die ersten externen Schaulustigen eingefunden und wunderten sich über
diese bunte und unerwartete Gesellschaft. Ich weiß nicht ob sie sich
mit jemand unterhalten haben, da mich zu diesem Zeitpunkt die
Aktivitäten unseres Busfahrers mehr interessierten. Auch er war
scheinbar nicht in die Route eingeweiht und überprüfte mit einem
Stock den Füllstand des Tanks. Wir waren ja mittlerweile mehr als 80
km gefahren und fast 3 Stunden unterwegs.
Wir
stiegen wieder in den Bus, draußen dämmerte es langsam und wir
fuhren in Richtung Saalkreis weiter. Die Fragen wo hin stellte ich
mir nicht mehr, warum auch, dafür wurden peu a peu die Folien von
den Fenstern entfernt und von den Teilnehmern einkassiert. Die
Neugier an der Umgebung durch die wir fuhren hatte gesiegt. An meinem
Tisch kam das Gesprächsthema auf, das es doch konsequent wäre Lose
zu verteilen und man nun endlich die Heizdecken verkaufen könnte,
aber soweit war es noch nicht und wir begnügten uns mit den
ausgeteilten Erstehilfefolien. Über Grube Ferdinande und Morl fuhren
wir die B6 weiter in Richtung Könnern bis zur Abfahrt nach
Beidersee. Dort wendeten wir und fuhren wieder zurück zur Abfahrt
nach Brachwitz, die wir verpasst hatten. – Würden wir bis nach
Brachwitz fahren um dort die Fähre zu nehmen? – Soweit sollte es
dann doch nicht gehen und hinter dem verlassenen Kaolinwerk hielt der
Bus an der nächsten Station.
Die
dritte Station. Ein Bushaltestelle im Nirgendwo und rings um uns nur
verschneite Felder, dafür aber beachtlich viele Rehe und viehisch
kalter Wind. Gefühlte Temperatur, 15 Grad unter Null, mindestens;
und dann dieses Bild. Auf einem Hügel am Horizont, hinter dem grad
eine Blutrote Sonne unterging konnte man etwas erkennen, es war das
Ziel dieser Station. Eine Wimpelgirlande zwischen 2 Stangen, die
einen Tisch auf dem etwas lag und einen Menschen in einem
Campingstuhl umrahmten. Noch lag zwischen dem Bus und dem Hügel 500
Meter schneeverwehter Acker, aber das war egal und alles stürmte
drauf los. Beim Näher kommen entpuppten sich die Dinge auf dem Tisch
als ein Haufen Kokosnüsse, abgerundet durch ein formschönes Radio
aus China. Plus Georg, der die Nüsse in einer Schale vorbereitet
hatte. An die Musik kann ich mich nicht mehr erinnern, schon deswegen
nicht, da auf diesem Hügel ein eisiger, alles erfrierender Wind
herrschte und alles lachte, die Kokoshäppchen waren inzwischen zu
Eis am Stil geworden. Das Bild wurde durch die malerisch untergehende
Sonne abgerundet, plus des Gefühls, das es sich um ein erstes Final
handeln musste. Sonnenuntergang, Kokosnüsse, Musik, was würde als
nächstes passieren? Noch mehr verrückte Aktionen, die Rückfahrt
oder Kältestarre? Es waren die Lose. Endlich! Im Bus, der nicht in
Richtung Leipzig weiterfuhr sondern in Richtung Halle Neustadt,
wurden sie verteilt – es gab was zu gewinnen! Leider hatte ich eine
Niete, weshalb ich auch nicht sagen kann was die Preise waren. Ich
hab auch verpasst zu fragen. In Halle Neustadt angekommen, gibt es
nur einen Ort, der so eine Rundreise zünftig abrunden kann... –
Halle Neustadt, als größte Musterplanstadt entworfen und als eines
der letzten Prestigeobjekte der DDR umgesetzt beherbergt nahezu jeden
Bautyp sozialistische Neubauarchitektur und ist somit ein lebendiges
Museum. Nicht unbedingt schön per se, dafür aber umso interessanter
als Studienobjekt einer sozialistischen Utopie. In diesem Ensemble
gibt es 5 baugleichen Hochhäusern, die sich rechterhand quer zur
Magistrale befinden, wenn man von der Altstadt Halles nach Halle
Neustadt fährt. 4 der 5 Hochhäuser, im Volksmund auch Scheiben
genannt, stehen leer, nur die zweite Scheibe ist noch in Betrieb und
dort ist auch der eben schon angedeutete Ort. –
Die
vierte Station. Die zweite Scheibe ist ein Bürohaus, in dessen
obersten Stockwerk, sich das Reisecafé Skyline befindet – ein
hallesches Highlight. Hier hat man Zugang zur Dachterrasse und einen
großartigen Blick über beide Stadtteile von Halle. Es war übrigens
auch der erste Indoorspot der Reise, mal abgesehen vom Bus und alle
Teilnehmer konnten sich bei Kaffee und einem Videoloop ein wenig
aufwärmen. Das Video zeigte einen Reisereporter, der ständig seine
Fassung angesichts zweier Eingeborener verlor und lachen musste, was
so komisch war kann ich nicht sagen, da es keinen Ton gab. Das
geilste am Reisecafé Skyline ist, das es eine Kombination aus
Reisebüro und Café ist und einem die Möglichkeit bietet, bei
Halle-Überdruss sofort die Flucht in die Ferne zu planen.
Diese
Station war das Finale, jedenfalls meiner Reise, da ich nach gut 6
Stunden Fahrt und dem Erlebtem an die Grenzen meiner Lust und
Aufnahmefähigkeit gekommen war. Ich bleibe also die Beschreibung der
Rückfahrt schuldig, aber ich vermute es gab noch weitere Aktionen
bei denen Schnaps eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben
könnte. Vor der Abfahrt hatte ich etwas in die Richtung gehört,
aber wer weiß.
Es ist
schwer das Erlebte in Worte zu fassen, da jede Beschreibung nur einen
Bruchteil dessen transportiert was bei so einer Aktion passiert und
möglich ist. Meine Empfehlung ist also, wenn sich euch die
Möglichkeit bietet an so einer Veranstaltungen teilzunehmen, dann
geht hin, schon deshalb da man so etwas noch nicht gesehen hat.
Stammbaum,
Leipzig, den 15. März 2013
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